"Wir sin die Lalli, uns kenne alli, un mir sin in Härdere deheim!"

Die älteste Freiburger Narrenzunft stellt sich vor.

Aus alten Ratsprotokollen ist bekannt, dass bereits im frühen Mittelalter in der Breisgaumetropole viele fasnächtliche Bräuche begangen wurden. So wird vom "Butzenlaufen" und "Brunnenwerfen", vom "Rußeln" (Gesicht schwärzen), "Fasnachtsspil", "Fasnachtskuechelin holen" und vom "Scheibenschlagen" berichtet. Als Studentenstand gab es auch allerlei burschenschafliche Aktivitäten vor der Fastenzeit. Durch die lange Zugehörigkeit zu Vorderösterreich trat aber im 18. und 19. Jahrhundert immer mehr das höfische Fasching- und Karnevalfeiern mit großen Bällen und Saalveranstaltungen in den Vordergrund. So fand man letztendlich erst im Jahre 1934 in Freiburg wieder zu den Ursprüngen der alemannischen Fasnet zurück und gründete mit der "Breisgauer Narrenzunft" eine Dachorganisation unter der sich die einzelnen Narrengruppen (in Freiburg als "Narrenestern" bekannt) so nach und nach zusammenfanden. Die wohl älteste Gruppe, die nach alemannischem Vorbild die bäuerliche Fasnachtstradition wieder aufleben ließ, erblickte im Jahre 1930 das närrische Licht der Welt. In jenem Jahr fand sich im Freiburger Stadtteil Herdem, einem ehemals selbständigen Winzerdorf vor den Toren der Stadt, eine Gruppe junger Männer zusammen, die beschlossen, eine Narrenzunft zu gründen und über die "Fünfte Jahreszeit" gemeinsam nach altem Brauch aufzutreten. Vier Jahre trieb die zunächst 15 Männer starke Gruppe in dieser Verkleidung ihr närrisches Unwesen, allen voran Ernst Scheu und sein Schwager Oskar Keller, die beide in der Hauptstraße am Glasbach wohnten (Beinerbaschihof). Inzwischen war das braune Regime an die Macht gekommen, denen dieses Auftreten nicht gefiel und so wurden die Herdermer Narren wegen "Verunglimpfung und Lächerlichmachung des Bauemstandes" im Jahre 1934 vor Gericht geladen.

Es wurde ihnen unter Strafandrohung untersagt, die bäuerliche Fantasie-Tracht zu tragen, was zunächst tiefe Betroffenheit hervorrief. Doch die Herdermer ließen sich nicht unterkriegen und traten ein Jahr später als "Droschkenkutscher-Zunft' an der Fasnet in Freiburg auf. Dabei zogen sie von Hand am Rosenmontagsumzug eine Kutsche durch die Stadt, an welche das Zugpferd hinten angebunden war, was für viel Erheiterung beim Publikum sorgte. Nach Gründung der Breisgauer Narrenzunft (BNZ) im Jahre 1934 traten die "Lalli" als eine der ersten Zünfte in den Freiburger Dachverband ein, was ihnen dann auch neben den Fasnetrufem, Blauen Narren und Oberwiehremer Kindsköpfen den Titel "Erznarren" einbrachte.

Im Jahre 1936 schuf ein damals in Herdem lebender Bildhauer die Figur des "Herdermer Lalli". Ein derbes Männergesicht mit schwarzer Stirnlocke, Hakennase und einer gewaltige Zunge, dem "Lälli", der aus dem Mund heraushängt, charakterisieren dieses hölzerne Narrengesicht. Auf dem Kopf der Maske wurde eine große schwarze Zipfelmütze mit roter Quaste angebracht. Die Frauen der Zünftler waren ebenfalls recht fleißig und nähten für ihre "verruckten Mannsbilder" ein Häs, dessen Oberteil aus einer roten Hemdbluse und einem mit Schlittenrollen und buschigem Fuchsschwanz behängten schwarzen Schilee besteht. Dazu kommt eine schwarze Hose, rote Strümpfe und mit rotem Leder versehene Holzschuhe hinzu. Große mit einem Ledergriff versehene Kuhglocken dienen als Lärminstrument. An der Fasnet 1937 traten die Zünftler zum ersten Mal mit neuem Häs und Holzmaske, die beide bis auf den heutigen Tag unverändert geblieben sind, in der öffentlichkeit auf. Stolz hatte man sich wieder den alten Zunftnamen "Lalli" zugelegt. Im gleichen Jahr wurde auch ein Narrentanz eingeübt: Der "Bändeltanz", dessen Aufführung in Freiburg bereits im 17. Jahrhundert dokumentiert ist. Dieser wird seither an jedem Fasnachtssonntag auf dem Herdermer Kirchplatz einem begeisterten Publikum dargeboten.

1939, mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, kam auch in Freiburg das Fasnachtstreiben zum Erliegen. Fünf Jahre, von 1940 bis 1945, mussten auch die Herdermer Narren ihr geliebtes Fasnethäs gegen Stahlhelm und Uniform eintauschen und manch einer von ihnen überlebte diese Zeit der blutigen Narretei nicht. An der Fasnet 1946 traf man sich heimlich bei einem der Zunftmitglieder und ließ eine gestiftete (wahrscheinlich schwarz gebrannte) Flasche "Obstler" kreisen. Noch hatte die Fasnet Schonzeit. Als dann die französische Besatzungsmacht im Jahre 1949 wieder den ersten Umzug genehmigte, waren auch die aus Krieg und Gefangenschaft heimgekehrten Herdermer Narren wieder mit dabei. Allerdings ging man noch ohne Maske und die Ranzengarde trug damals statt ihren Holzgewehren schwarze Regenschirme über der Schulter.

Das Brauchtum begann wieder zu blühen und im Jahre 1950 feierten die Lalli ihr 20-Jähriges. Sie waren bald wieder in Herdem nicht mehr wegzudenken.

Während in der Zeit zwischen Dreikönig und den eigentlichen Fasnachtstagen die Aktiven der Herdermer Narrenzunft bei vielen Narrentreffen zu finden sind, gehören die höchsten Festtage der Dorffasnet , bei der sich ein geregelter Ablauf etabliert hat, der bis zum heutigen Tag Bestand hat. Bereits am Vormittag des Schmutzigen Dunschdig sind die Aktiven unterwegs, um die Hauptstraße und den Kirchplatz mit bunter und "anrüchiger" Wäsche zu bespannen und an den Fenstersimsen und Kreuzstöcken lustige Strohhexen und blauweiße oder rotgelbe Fahnen aufzuhängen. Dabei wird ihnen von der Bevölkerung als "Atzung" belegte Brötchen, Fasnetküchle und sonstige schmackhafte Wegzehrung angeboten und so manches wärmende Schnäpschen und prickelnde Glas Sekt eingeschenkt. Zum Mittagessen ist man sogar zu einer deftigen Narrensuppe eingeladen. Am Abend versammelt man sich auf dem Kirchplatz, um die Fasnet auszugraben. Als lustige Hexen mit roten Pappnasen verkleidet wird mit viel Geschell die Fasnet aus dem "jährigen Schlaf" erweckt, der Narren-Eid abgelegt und die Statuten verkündet. Dann geht es in das Zunftlokal " Restaurant zum Schwanen" in der Stadtstraße 87, in Herdern, wo bis in die Morgenstunden zum Sockenschwoof die Musik spielt. Nicht fehlen darf an diesem Abend auch die Verlesung des "Kerbholzes", eine Aufzählung von allerlei Narreteien, die sich die Aktiven unter dem Jahre geleistet haben und die jetzt unter viel Gelächter der Zuhörer durch den Zunftvogt an das Licht der öffentlichkeit gebracht werden. Auch ein großer "Zunftabend" wird jährlich veranstaltet. Hier wird durch die Humoristen der Zunft ein vielbeachtetes buntes Programm geboten, in welchem Gesang und Theaterspiel, Büttenreden und Männerballett fröhliche Urstände feiern.

Am Fasnetsundigmittag wird der "Bändeltanz" auf dem Kirchplatz aufgeführt und danach zieht die Zunft in die Kaiser-Josef-Straße zur Straßenfasnet. Am Montag, dem Hochtag der Fasnet, wird mit lautem Kuhglockengeläute die Herdermer Bevölkerung aus den Betten geholt. Am Nachmittag beteiligt man sich am Umzug in der Innenstadt. Mancher gute Umzugswagen der Herdermer wurde dabei schon prämiert. Der Dienstag gehört traditionsgemäß dem "Narresoome". Nach einem deftigen Mittagessen sind am Nachmittag die Kinder zu einem Umzug durch Alt-Herdern aufgerufen. Alle, die an diesem bunten Lindwurm teilnehmen, bekommen danach eine Wurst und einen Wecken, meist gestiftet von den Herdermer Geschäftsleuten.

Am Zischdig-Obe trifft man sich nochmals im Zunftlokal, letztmalig kann getanzt werden bis die Socken qualmen, denn kurz vor Mitternacht wird unter Heulen und Wehklagen am Glasbach der "Iganz Fasnet", eine große Strohpuppe, verbrannt. Das Häs wird ausgezogen, gemeinsam schweigend ein saurer Hering verdruckt und dann nach Hause gegangen.

Manches runde und närrische Jubiläum hat die Zunft schon durchgeführt. So hat man 1980 zum 50-Jährigen in einem nächtlichen Fackelzug einen Narrenbrunnen eingeweiht und 1990 zum 60-Jährigen auf der Sparkasse eine große Ausstellung verwirklicht. Auch für die Millemniums-Fasnet 2000 hatte man sich allerhand vorgenommen. Neben der Ausrichtung des Protektorats, der übergabe der Schirmherrschaft an den Oberbürgermeister, wurde wieder einmal ein Umzugswagen gebaut und an der Spitze des Umzuges marschiert.